Ehrlichkeit und Schöffenamt

»Schöffe Schmitz«: die Kolumne zum Schöffenamt

Ehrlichkeit – ein guter Anfang, wenn man sich ins Schöffenamt bewerben will. Ehrlich wäre allerdings auch, das Schöffenamt selbst und seine Konzeption im Jahre 2023 realistisch zu betrachten. 

Es ist mancherorts davon die Rede, das Schöffenamt solle »diverser« werden. Gemeint ist damit, dass das Schöffenamt eigentlich einen Querschnitt durch die Bevölkerung abbilden soll. Eigentlich. Da es keine Statistik dazu gibt, wer genau die rund 60.000 Schöffinnen und Schöffen sind, entbehrt die Forderung nach Diversität zunächst der statistischen Grundlage. Richtig aber ist, dass auch Schöffe Schmitz keine 25-jährige Psychologiestudentin im Schöffenamt kennt, keinen 27-jährigen Bäckergesellen und auch keine diverse Person – leider.

Auf die Frage, warum er Schöffe geworden sei, antwortete Jan Böhmermann dem SPIEGEL 2013: »Ich war der Meinung, das müssen auch Menschen aus dem Berufsleben machen und nicht immer nur frustrierte Hausfrauen und alte Nazis.« Was lustig klingt, mag  – wenigstens gefühlt – das Image des Schöffenamts treffend beschreiben. Das Schöffenamt ist nicht attraktiv für junge Menschen.

Schöffe Schmitz ist uneingeschränkt für Diversität – auch im Schöffenamt. Im Jahre 2023 jedoch ist das Schöffenamt faktisch nicht gemacht für Menschen zwischen 25 und 35. In dieser Lebensphase stehen Aufbau von Beruf und Familie im Mittelpunkt. Die Konzeption des Schöffenamts wurde jahrzehntelang nicht auf die Lebensrealitäten von Bürgerinnen und Bürgern erneuert. Warum auch? Wenn sich nicht genug BewerberInnen finden, werden einfach welche zwangsrekrutiert. 

Den Vogel diesbezüglich hat jetzt Berlin abgeschossen. Der Stadtstaat, den die ZEIT online unlängst als »demokratisches Entwicklungsland« betitelte, rief Anfang September 2022 zur Schöffenwahl auf. Schon wenige Wochen (!) später erhielten aus Einwohnermeldedateien ausgeloste BürgerInnen Post: man möge bitte beiliegenden Erfassungsbogen ausfüllen, es hätten sich nicht genügend BewerberInnen fürs Schöffenamt gemeldet. Im Namen des Volkes kann dieses Procedere nicht sein. Schöffe Schmitz kennt bundesweit keine andere „Wahl“, die unter solch hanebüchenen Bedingungen stattfindet.

Solange Schöffenwahlen als lästiger Verwaltungsakt durchgeprügelt werden und solange das Schöffenamt nicht an heutige Lebensrealitäten angepasst wird, hat das Amt keine Chance im Ranking der Ehrenämter zu steigen. 

Aus der Erfahrung von über 4 Jahren Schöffentätigkeit meint Schöffe Schmitz: »Beschuldigt in einem Strafverfahren zu sein, geht schneller, als die meisten denken. Wer vor Gericht steht, kann froh sein, wenn Seinesgleichen auf der Richterbank gegenüber sitzt. Das allein sollte Grund genug sein, dass wir Bürgerinnen und Bürger das Schöffenamt endlich in die Hand nehmen – und es zeitgemäss verändern.« Nur dann geht alle Staatsgewalt vom Volk aus. So ehrlich müssen wir sein.

Kontakt zu Schöffe Schmitz hier

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